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Planfeststellungsbeschluss für die Ortsumgehung Celle (Mittelteil) ist rechtswidrig und nicht vollziehbar

Der 7. Senat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts hat mit zwei Urteilen vom 22. April 2016 (Az. 7 KS 35/12 und 7 KS 27/15) festgestellt, dass der Planfeststellungsbeschluss für den Bau der Ortsumgehung Celle (Mittelteil) rechtswidrig und nicht vollziehbar ist. In einem weiteren Verfahren (Az. 7 KS 83/13) wird die Entscheidung den Beteiligen schriftlich zugestellt.

Gegenstand der Planung ist die Verlegung der Bundesstraße B 3 von nordöstlich Celle (B 191) bis südöstlich Celle (B 214). Die Baulänge beträgt ca. 5,3 km. Es handelt sich bei dem planfestgestellten Mittelteil der Ortsumgehung Celle um den dritten Teil einer Gesamtplanung. Die Ortsumgehung soll einer östlichen und nördlichen Umfahrung von Celle dienen und dazu führen, dass dem Innenstadtbereich von Celle Verkehr entzogen wird. Das Vorhaben ist im Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen dem vordringlichen Bedarf zugeordnet.

Im Einwirkungsbereich des Vorhabens befinden sich die Flora-Fauna-Habitat-(FFH-)Gebiete Nr. 86 „Lutter, Lachte, Aschau (mit einigen Nebenbächen)“ und Nr. 90 „Aller (mit Barnbruch), untere Leine, untere Oker“, die Naturschutzgebiete „Obere Allerniederung bei Celle“ und „Lachte“ sowie die Landschaftsschutzgebiete „Oberes Allertal“ und „Vogelschutzgehölz Matthieshagen“. Die Trassenführung sieht eine Querung der Aller- und Lachteniederung sowie des Freitagsgrabens durch besonders lange und hohe geständerte Brückenbauwerke vor.

Gegen den Planfeststellungsbeschluss vom 30. November 2011 in der Gestalt des Änderungsplanfeststellungsbeschlusses vom 02. Februar 2015 wenden sich die Kläger, unter denen sich eine anerkannte Naturschutzvereinigung, eine Jagdgenossenschaft und mehrere Privatpersonen befinden, deren Grundstücke zum Teil für das Vorhaben in Anspruch genommen werden.

Der 7. Senat hat nunmehr in zwei Verfahren den Klagen der Naturschutzvereinigung und zweier Privatpersonen insoweit stattgegeben, als er die Rechtswidrigkeit und mangelnde Vollziehbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses festgestellt hat. Es liegt ein Verstoß gegen den artenschutzrechtlichen Verbotstatbestand des § 44 Abs. 1 Nr. 1 des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) vor. Auch unter Berücksichtigung der planfestgestellten Schutz- und Vermeidungsmaßnahmen konnte die beklagte Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr aufgrund der bestehenden wissenschaftlichen Unsicherheiten im konkreten Fall nicht rechtsfehlerfrei davon ausgehen, dass das Risiko von betriebsbedingten Tötungen von im Wirkraum des Vorhabens vorkommenden Fledermausarten durch Kollisionen mit dem Straßenverkehr nicht in signifikanter Weise erhöht wird.

Der Planfeststellungsbeschluss ist im Übrigen rechtlich nicht zu beanstanden. Das Vorhaben ist planerisch gerechtfertigt. Es besteht unter verkehrlichen Gesichtspunkten ein Bedarf für die Ortsumgehung. Verstöße gegen europäisches Habitatschutzrecht liegen nicht vor. Die FFH-Verträglichkeitsprüfung ist rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, dass einzig der betriebsbedingte Eintrag von Stickstoffverbindungen in Waldbestände eines geschützten Lebensraumtyps zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Erhaltungsziele des FFH-Gebiets Nr. 90 führt. Für das danach grundsätzlich schutzgebietsunverträgliche Vorhaben sind die Voraussetzungen für eine Zulassung im Ausnahmewege erfüllt. Das Projekt ist aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses notwendig und es gibt keine zumutbaren Alternativen, den mit dem Projekt verfolgten Zweck an anderer Stelle ohne oder mit geringeren Beeinträchtigungen zu erreichen. Eine Westumfahrung von Celle oder eine Umfahrung noch weiter östlich von Celle (sog. Ost-Ost-Variante) scheiden als Alternativen aus. Weitere artenschutzrechtliche Verbotstatbestände sind nicht erfüllt. Insbesondere sind das artenschutzrechtliche Störungsverbot und das Beschädigungs- und Zerstörungsverbot im Hinblick auf die im Wirkraum des Vorhabens vorkommenden europäischen Vogelarten nicht erfüllt. Ein Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot der Wasserrahmenrichtlinie liegt nicht vor. Es ist nicht mit vorhabenbedingten Beeinträchtigungen der Oberflächenwasserkörper und Grundwasserkörper zu rechnen. Schließlich ist auch das fachplanerische Abwägungsgebot nicht verletzt. Die Betroffenheiten durch Lärm und Schadstoffe wurden erkannt und rechtsfehlerfrei abgearbeitet. Abwägungsfehlerfrei erweist sich insbesondere auch die Behandlung der Belange des Hochwasserschutzes, der Wegeverbindungen, des Denkmalschutzes und der Jagd.

Die Revision zum Bundesverwaltungsgericht hat der Senat nicht zugelassen.

Artikel-Informationen

erstellt am:
22.04.2016

Ansprechpartner/in:
VRi' in OVG Andrea Blomenkamp

Nds. Oberverwaltungsgericht
Pressestelle
Uelzener Str. 40
21335 Lüneburg
Tel: 04131-718 187
Fax: 0 5141/5937-32300

http://www.oberverwaltungsgericht.niedersachsen.de

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