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Totalverbot der rechtsextremistischen Versammlung am 13.5.2006 in Göttingen ist unverhältnismäßig

Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht - 11.Senat – hat mit Beschlüssen vom 5. Mai 2006 (11 ME 117 und 122/06) das von der Stadt Göttingen verhängte Demonstrationsverbot von zwei Versammlungen (Kundgebungen und Demonstrationszüge) rechtsextremistischer Veranstalter am 13. Mai 2006 als unverhältnismäßig bewertet. Zulässig ist aber lediglich eine stationäre Versammlung auf dem Bahnhofsvorplatz in der Zeit von 12.00 – 14.00 Uhr. Der Stadt Göttingen bleibt es vorbehalten, weitere von ihr für erforderlich gehaltene Auflagen für die Durchführung der Versammlung zu verfügen.

Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht teilt zwar die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass es für den Fall der Durchführung der Versammlung mit hoher Wahrscheinlichkeit zu schweren Gewalttaten durch Angehörige der linksautonomen Szene und damit zu Verletzungen der öffentlichen Sicherheit kommen wird. Auch stimmt es dessen Einschätzung zu, dass die Voraussetzungen des sog. polizeilichen Notstands auf der angemeldeten Aufzugsstrecke voraussichtlich erfüllt sind. Anders als das Verwaltungsgericht ist das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht aber der Auffassung, dass die Gefahren für die öffentliche Sicherheit durch Beschränkung der Versammlung auf eine stationäre Kundgebung sowie durch andere Auflagen erheblich verringert werden können, so dass das von der Stadt Göttingen verhängte vollständige Versammlungsverbot mit Rücksicht auf die hohe Bedeutung des Grundrechts aus Art. 8 GG unverhältnismäßig ist.

Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht verweist in seiner Begründung auf die aktuelle Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wonach die Annahme eines polizeilichen Notstands als Grundlage von Maßnahmen gegen die Ausgangsdemonstration wegen erwarteter gewalttätiger Gegendemonstrationen nicht zur Folge haben darf, dass dadurch die Verwirklichung des Freiheitsrechts aus Art. 8 GG praktisch auf Dauer verhindert wird. Eine solche Situation, in der jede Absicht zur Durchführung rechtsextremistischer Demonstrationen mit Gegenaktionen gewaltbereiter Personen des linken politischen Spektrums beantwortet wird, ist in Göttingen gegeben. Ein Versammlungsverbot scheidet deshalb aus, so lange das mildere Mittel der Erteilung von Auflagen nicht ausgeschöpft ist.

Nach der Einschätzung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts ist weder eine Zusammenlegung der beiden angemeldeten Demonstrationen noch eine andere Streckenführung oder Verkürzung der Routen geeignet, den Gefahren für die öffentliche Sicherheit wirksam zu begegnen. Stattdessen kommt aber eine Beschränkung der beiden Versammlungen auf eine stationäre Kundgebung in Betracht. Der Beurteilung der Polizeidirektion Göttingen, dass in der Stadt Göttingen eigentlich kein geeigneter Platz für eine stationäre Versammlung vorhanden sei, ist das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht nicht gefolgt. Daran sieht es sich u.a. durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gehindert, weil dann rechtsextremistische Veranstalter auf nicht absehbare Zeit keine Chance hätten, in Göttingen Versammlungen durchzuführen.

Artikel-Informationen

erstellt am:
05.05.2006
zuletzt aktualisiert am:
16.06.2010

Ansprechpartner/in:
RiOVG Dr. Jürgen Rettberg

Nds. Oberverwaltungsgericht
Pressestelle
Uelzener Str. 40
21335 Lüneburg
Tel: 04131 718-187
Fax: 04131 718-208

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